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Sächsisch gedacht

Die Architektur der Zeidner evangelischen Kirche

Die evangelische Kirche in Zeiden ist eine romanische turmlose Saalkirche aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Sie hat eine innere Gesamtlänge von 46,65 m: die innere Länge des Saals ist dabei 30,50m, die lichte Chorlänge 15,25 m; die lichte Chorbreite beträgt 7,00 m und die Schiffbreite 12,68 m. Der in der Spätgotik erhöhte Chor hat ein Sternnetzgewölbe und ist 10,85 m hoch. Das gleichseitige Dreieck über der Schiffsbreite hat diese Höhe. Der rundgewölbte Triumphbogen hat 0,80 m Stärke. Das von Anfang an flache gedeckte Langschiff erhielt nach mehrfachen Bränden im Jahre 1702 eine flache kassettierte Holzdecke in 9,42 m Höhe. Das romanische Westportal hat sich unverändert erhalten.

Die erste ovale Kirchhofumwallung aus der Zeit des Kirchenbaues ist kenntlich; sie wurde mehrmals erweitert und durch Türme verstärkt. Aus Kirche und Umwallung spricht der Zeitgeist, den die "Deutschordensritter" im Bauwerk sichtbar machten und in eine neue Umgebung stellten. Alle jene Steine, denen eines Meisters Hand Leben eingehaucht hatte, können sprechen und vom Vergangenen berichten. Wir können auch den Gedanken des entwerfenden Architekten folgen, mag er Priester , Mönch oder ein Rittet gewesen sein.

Den Ort des Kirchenbaues und der Siedlung bestimmte ein Ritter, als Riegel an der Heerstrasse aus dem Burzenland nach Reps und Schäßburg; dem Volksmund nach war dies der Weg nach Siebenbürgen! Die Kirchenachse steckte ein Geistlicher in Richtung Sonnenaufgang am Namenstag des gewählten Kirchenheiligen ab. Diese weicht heute von der Ostrichtung um 7 Grad 30`nach Norden ab.

Das Kirchenschiff sollte 100 Fuß lang werden. Für die Chorlänge bestimmte man 50 Fuß, gleich 125,25 m. Hieraus ergibt sich die Fußlänge mit 0,305 m. Dies ist ein Maß, das vielleicht auf die Herkunft dieses Geistlichen hinweisen könnte, da die Mönchsorden oft verschieden Fußeinheiten hatten.

50 Fuß aber, als Einheitsmaß aufgefasst, ist außerordentlich wichtig, weil der ganze Kirchenraum von dieser Strecke beeinflusst wird. Deshalb wurde dies Maß vom ersten Meister des Baues an den Wänden oder auf dem Fußboden mit besonderen Zeichen, doch immer verschleiert, angemerkt. Diese Zeichen konnte nur ein zünftiger Nachfolger lesen und auswerten. Laien beachteten es kaum, verstanden seine Bedeutung als Proportionsmaß nicht und zerstörten es, wie auch hier. Unsere Untersuchung hat ergeben, dass das Proportionsschema vom gleichseitigen, in Kreise eingeschriebenen Fünf- und Zehneck abgeleitet ist, das als "Goldener Schnitt" bezeichnet wird.

Die Lage und Aufgabe dieser Siedlung und ihrer Kirche erforderte rasche und sichere Arbeit. Von dem Bau einer Basilika wurde abgesehen.

Die Nord- und die Südwand des Kirchenschiffes wurde um Wandstärke nach außen versetzt und dadurch das Schiff verbreitert, der Chor aber verschmälert. Das Bruchsteinmauerwerk hat 1,53 m bis 1,60 m Stärke. Mehrfache Brände und Belagerungen hat dies Mauerwerk in knapp 800 Jahren gut überstanden. Aus allem ersehen wir, dass Erkenntnisse der Bauwissenschaft vorhanden waren. Mit Geometrie beschäftigte man sich. Tiefe und Breite des Fundament, Stärke und Standfestigkeit der Mauern, die Bedeutung horizontaler Lagerfugen und Schichten und das Wölben waren bekannt. Dies alles erzählen uns die Steine. Fleiß und Ausdauer und eine ungeheuer große Bauenergie hat auch diesen Kirchenbau möglich gemacht. dabei waren viele schwere Probleme zu lösen und eine große Geistesarbeit zu leisten, bis Siedlung und Kirche standen.

Das Gelände um die ovale umwallte Kirche blieb jahrhundertlang auf Pfeilschussweite unbebaut. Die erste Siedlung bildeten ein Teil der Langgasse mit etwa 30 Bauernhöfen, dazu 2 Höfe für die Kirche und ein Hof für die Geistlichen, auch 2 Höfe für den Vertreter der Ritterschaft, dazu gesondert Höfe der Gewerbetreibenden und der Kaufleute, die an der Hintergasse saßen. Zeiden sollte Marktort werden, und die Kirche zugleich Warenlager und Stapelplatz.

Die waffentüchtigen Kaufleute, vermutlich als Bauernkaufleute bezeichnet, besorgten den Handel nach Reps und Schäßburg, aber auch weiter. Sie nahmen Teil am Fernhandel und besuchten die großen Grenzmärkte in der Bosau und im Törzburger Pass. Sie besorgten den Nachschub für das Aufgebot der Deutschen Ritter jenseits der Grenzen. Ihre Anwesenheit müssen wir auch in Marienburg, Tartlau und Kronstadt annehmen, dazu eine genossenschaftliche Form ihrer Organisation.

Dipl.-Ing Gustav Treiber




Nummer 27 / 1967: Nummer 60 / 1984: