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Seit der Reformation sind die Patrone unserer mittelalterlichen Kirchen zunehmend in Vergessenheit geraten. Richard Huß und Friedrich Teutsch waren bemüht, diese Wissenslücke zu schließen und veröffentlichten vor Jahrzehnten eine Reihe von Kirchenheiligen siebenbürgisch-sächsischer Kirchen. In vielen Fällen blieb der einstige Kirchenpatron jedoch weiterhin verschollen, andere wieder waren mit letzter Sicherheit nicht mehr zu bestimmen. So schrieb Huß z. B. über die Zeidner Kirche: "Zeiden hat eine aus dem 13. Jahrhundert stammende einfache, aber große Saalkirche des Übergangsstils, die dem Heiligen Georg oder Michael geweiht war".
Georg oder Michael, darüber wurde gelegentlich, ohne befriedigendes Ergebnis, gerätselt. Es ist wohl so, dass beide Heilige ein Copatronat bildeten. Die Kirche des ausgehenden Mittelalters konnte sich in der Mehrung der Heiligen nicht genug tun, deren Schutz das Gotteshaus gestellt wurde. Die Zahl ähnlicher Doppel- und Mehrfachpatrozinien, wie etwa auch jenes von Peter und Paul, mag ursprünglich größer gewesen sein. Manch einer der Mitpatrone minderen Grades oder Ansehens mag in der Erinnerung verschollen sein. Diese "Geschwisterpatronizien" bedeuteten dem Volk nicht eine Anhäufung von heiligen Schützern, vielmehr Anregung für die sittliche Entfaltung der eigenen Persönlichkeit im Rahmen der Familien- bzw. gesellschaftlichen Gemeinschaft.
Der Hauptpatron scheint jedoch St. Georg gewesen zu sein, die Ausrichtung (Orientierung) der Kirchenlängst spricht dafür. Im allgemeinen steht der Kirchenchor im Osten, das Kirchenschiff erstreckt sich nach Westen. Diese Ausrichtung war jedoch meist erheblichen Abweichungen unterworfen, was seinerseits eine Reihe ungelöster Fragen aufwarf.
Einige nehmen an, diese Abweichungen von der genauen Ost-Westausrichtung seien auf die frühere Verwendung der Magnetnadel, bei gleichzeitiger Unkenntnis des periodischen Schwankungen unterworfenen magnetischen Pols zurückzuführen. Andere wähnen als Richtpunkt den Sonnenaufgang an den Tagen der Solstitien (Sonnenwenden) oder Aequinoktien (Tag- und Nachgleichen) und wiederum andere sahen in den Sonnenaufgängen an den Tagen der erwählten Kirchenheiligen die jeweiligen Orientierungspunkte.
Nach eingehenden Beschäftigung mit den Burzenländer Kirchen glauben wir, einer Lösung näher gekommen zu sein. Wir konnte feststellen, das die Baumeister der mittelalterlichen Kirchen im Burzenland die Ausrichtung der Kirchenlängsachse nach einem bestimmten Prinzip vornahmen.
Dank der baugeschichtlichen Untersuchungen von Walter Horwath sind uns die Achsenorientierungen der Burzenländer Kirchen bekannt. Dies ermöglicht uns, die drei oben aufgeführte Ostungsprinzipien auf ihre Gültigkeit hin zu untersuchen.
Die Längsachse der Zeidner Kirche weist eine Abweichung von 7 Grad nach Norden auf, was ihre Orientierung nach Solstitium bzw. Aequinoktum ausschließt; ebenso wenig kommt die ohnehin noch umstrittenen Anwendung des Magnetnadelprinzips in Frage, weil die Deklination der Magnetnadel im 13. Jahrhundert etwas östlich vom geographischen Nordpol lag. Eine im 13. Jahrhundert mittels Magnetnadel geostete Kirchenachse müsste nach Süden abweichen.
Wir haben nach Sonnenaufgangspunkte für alle Tage des Jahres, auf das 13. Jahrhundert und die geographische Lage Siebenbürgens bezogen, berechnet, auch bei Berücksichtigung der verschiedenen Kalenderkorrekturen der verflossenen Jahrhunderte . Diese Berechnungen ergaben für eine nördliche Abweichung, d.h. für einen Sonnenaufgangspunkt von 7 Grad nördlich der genauen Ost-Westrichtung, ein Datum zwischen dem 21. und 26. April. Das wäre ziemlich genau der Tag des St. Georg, der 24 . April.
Unsere Untersuchungen scheinen zu bestätigen, dass bei den Mittelalterlichen Kirchen des Burzenlandes vorrangig die Ausrichtung der Kirchenachse nach dem Sonnenaufgang am Tag des jeweiligen Kirchenpatrons in Anwendung kam. Dafür sprechen die Achsenorientierung der Zeidner Kirche und weiterer sieben Kirchen des Burzenlandes. Das schließt natürlich nicht aus, dass andere Bauhütten, andere Baumeister abweichende Orientierungsverfahren anwandten.
Die mit Ost 7 Grad (Nord 83 Grad) auf den Georgstag ausgerichteten Orientierung der Zeidner Kirche mag für diesen als Hauptpatron sprechen. Georg wurde im Mittelalter als Ritterheiligen verehrt. Michael, als wohl gleichberechtigter Copatron, galt als besonderer Beschützer und Verteidiger der Kirchen und seine kriegerischen Eigenschaften empfahlen ihn den Ritter als Behüter ihrer neu angelegten Burgen. Zeiden war von seiner Gründung an eine der größten und bedeutendsten Burzenländer Gemeinden und entstand ohne Zweifel bereits zur Zeit des Deutschen Ritterordens (1211-1225), gleichzeitig mit der nahe gelegenen Ritterburg, der Schwarzburg, und wohl auch der Kirche.
Alfred Prox (Blaubeuren)
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